Ariane Köhn
Jahrgang 1967 · Listennummer 39 · B51

Das Gedicht

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich komme aus dem kleinen gallischen Ort,
genannt Bremen-Nord und man nennt mich Ariane dort.
Ich fahre da nun schon seit 31 Jahren kreuz und quer,
leider muss ich sagen, etwas schockiert mich immer mehr.

Es wird oft gesagt, wir jammern auf hohem Niveau -
den Spruch liebe ich sowieso.
Wer legt denn die Messlatte an, die einem sagt,
ab wann man jammern kann?
Ist es nicht viel mehr die Erkenntnis , die sich häuft,
wenn etwas aus dem Ruder läuft?

Seit Jahren sprechen wir über betriebliche wichtige Probleme,
die uns stören, doch offenbar will das niemand hören.

Sprechen wir mal über Motivation:
Man erhöht sie eventuell mit mehr Lohn.
Respekt und Menschlichkeit hilft dabei allerdings schon.

Im Notfall mal eben frei bekommen?
Die Hoffnung wird einem ganz schnell genommen.

Denn fällt die Oma außerhalb des Urlaubes tot um, kommt man wenigstens um die Beerdigung herum.
Desgleichen, wird man zur Hochzeit eingeladen,
schenkt man sich die guten Gaben.
Steht das Haus auch unter Wasser, sei gewiss,
es wird immer nasser.

Das fördert die Resignation, keinesfalls die Motivation.

Verzweiflung macht sich auch bei der Kommunikation breit, mangelnde Info sind wir langsam leid.
Bei absolutem Verkehrschaos und Verspätungen sich keiner darum schert, als wären wir nichts mehr wert!
Ob wir auf unseren abzulösenden Bus, mit Schaden oder Unfall,
im Regen oder bei Kälte lange warten,
auch bei der Info haben wir schlechte Karten.
Wenn ein Bus ausfällt oder woanders steht, wen juckts,
wenn es auch ohne Info geht.
Ups, die Straße ist gesperrt?
Man einem auch diese Info verwehrt.

In Ausnahmefällen, wenn alles drunter und drüber geht, leider niemand unterstützend zu uns steht.
Vom Kundenservice mal ganz abgesehen,
da lässt man die Fahrgäste auch gerne mal im Regen stehen.

Wenn man das unter Motivation versteht, dann weiß ich, wohin die Reise geht.

Ist es da ein Wunder, wenn man unter Sparzwang bei den Dienst- und Fahrplänen kürzt und streicht, dass die Motivation weicht?
Verstetigung, ein Wort machte hier die Runde,
doch ich verbreite mal - gewagt - die Kunde:
Es war eine schöne Vision,
ist aber leider nicht die reale Situation!
Dienstteile von ca. fünf Stunden,
wer fühlt sich da nicht geschunden?
Tagesdienst von 9:30 - 19:00 Uhr,
was für eine Tortour!

Doch die Parameter sind gesetzt,
deswegen fühlen wir uns wie gehetzt.
Als familienfreundlich wurde der Betrieb zertifiziert,
man den Glauben daran allmählich verliert.
Geld zu sparen, das ist wichtig,
aber ist das auf diese Weise richtig?

Gesundheits- und familienfreundlich ist im Fahrdienst schon lange nichts mehr - deswegen sind unsere Akkus leer!
Denn langsam liegen die Nerven blank,
deshalb werden immer mehr Kollegen krank.

Dazu gehört, dass man nach der Krankheit zwei Wochen außer Plan fährt. Das ist ja auch grundsätzlich nicht verkehrt.
Unter dem Aspekt, dass die Kollegen außer Plan auch mal planen können, wollen wir ihnen das gerne gönnen.
Doch wenn eben diese Kollegen einen Abend vorher noch nicht wissen, was sie am nächsten Tag fahren müssen,
gerät da nicht der Vater des Gedanken
spätestens jetzt ins Wanken?

Die Erwartungen an unsere Arbeit sind in den letzten Jahren stark gestiegen, jedoch die Selbstverständlichkeit uns für alles verantwortlich zu machen, finde ich sehr gediegen!
Das "Wir-Gefühl" wurde einmal groß geschrieben, wo ist dieses Gefühl bloß geblieben?

Wer sind denn WIR?
Alle zusammen könnten wir viel erreichen.
Doch das können wir momentan gepflegt mal streichen.

Schade, dass es niemanden interessiert, dass es gemeinsam besser funktioniert. So lange jeder nur für seinen eigenen Bereich agiert, hier weiter Demotivation regiert.

Wenn wir schon für alle mitdenken und entscheiden sollen, würde es uns sehr viel nützen, würde man uns entsprechend unterstützen!

BSAG, vier Buchstaben, die ein Unternehmen symbolisieren.
Weil verdammt gute Mitarbeiter die Rädchen im Getriebe täglich aufs Neue schmieren!

Es sind Menschen, die diesen Buchstaben Leben einhauchen,
die ab und zu mal Wertschätzung brauchen!
Was Wertschätzung und Motivation ausmacht?
Wenn der Arbeitgeber mit seinen Mitarbeitern redet, gut zuhört, mit ihnen leidet und natürlich auch lacht!

An die Geschäftsleitung:
Wer etwas will, der findet Wege,
wer etwas nicht will, findet Gründe.
Ich höre hier nur Gründe, warum etwas nicht geht!

Das neue Gedicht

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich komme aus dem kleinen gallischen Ort,
genannt Bremen-Nord.
Man nennt mich Ariane dort.
Ich fahre hier nun schon seit über 31 Jahren
und langsam wächst mir der Grünspan aus den Haaren.
Ende September war ein Artikel in der Zeitung zu lesen.
Vom krank machenden Traumjob, Busfahrer, war die Rede gewesen.
Und ob ihr es glaubt oder nicht,
da kam mir die Idee zu einem neuen Gedicht.
Traumberuf? das war einmal!
Mittlerweile wird es immer mehr zur Qual.
Die Gründe dafür sind angeblich bekannt,
jedoch nicht, warum bis jetzt keine Besserung statt fand.

Schichtdienst ist erwiesenermaßen nicht gesund.
Und bei den Dienstplänen läuft auch nicht alles rund.
Fast fünf Stunden, als Dienstteil, wie festgenagelt auf dem Stuhl zu sitzen,
das bringt jeden zum schwitzen.
Wohltuende Bewegung an den Endhaltestellen, ein Traum.
Doch der Fahrplan reicht dafür wohl kaum.
Aus Sparzwang wird gestrichen und gekürzt, was einem den Beruf noch zusätzlich würzt.
Leider muss man, schon wegen des Schichtdienstes, auf vieles verzichten.
Familienfeiern, Urlaube und Notsituationen sind solche Geschichten.

Für den Beruf braucht man mittlerweile viel Liebe und Hingabe.
Und eine gehörige Prise Masochismus als Zulage.
Dann nimmt man Beleidigungen, Unterstellungen und körperliche Angriffe, der Fahrgäste, auch nicht mehr so wichtig.
Ebenso erfundene Beschwerden, die wären dann ebenfalls null und nichtig.
Als Qualifikation werden hellseherische Fähigkeiten dringend empfohlen.
Dann sitzt man bei Baustellen vor Kurven, ohne Ampeln, nicht wie auf Kohlen.
So wäre man auch ohne Information,
durch schlecht funktionierende Monitore oder fehlende Kommunikation
für den Dienst bereit,
hätte Kenntnis zu jeder Zeit.

Doch auch die größte Liebe wird irgendwann zerstört,
wenn man den Respekt verliert und nicht mehr auf die Probleme des Gegenübers hört.
Und das Schlimme daran ist:
Menschlichkeit wird hier vermisst!

Fühlen sich die Mitarbeiter nicht mehr angenommen, ist die Verzweiflung angekommen.

Zum Entsetzen aller wurde mit dem Datenschutz Missbrauch betrieben,
wo sind die Werte von Respekt und Wertschätzung bloß geblieben???
Wertschätzend und respektvoll ist es in keiner Form,
der Verlust des Vertrauens ist dafür enorm !!!!
Und das, obwohl ein Verhaltenskodex existiert, doch der wurde scheinbar rigoros ignoriert.

Man gebe also mangelnden Respekt zu dem leckeren Rezept.
Druck statt Wertschätzung mag für eine Weile auch eine Möglichkeit sein.
Stellt man sich damit jedoch selbst ein Bein.

Fehler werden oft gemacht,
in einigen Bereichen wird darüber scheinbar nicht nachgedacht.
Da das Fahrpersonal diese oft ausbaden muss,
ist es für keinen einen Genuss.
Sprüche, wie:
Sie sind hier zum lenken und nicht zum Denken,
die kann man sich nun wirklich schenken!
Für den Fahrgast ist es sehr bequem, er betreibt es ganz extrem.
Egal, wo der Fehler liegt,
man die Schuld gerne auf das Fahrpersonal schiebt.
Dem Fahrgast wird sofort geglaubt, was uns das Vertrauen raubt.
Rückhalt wird leider selten gewährt,
was uns die Arbeit zusätzlich erschwert.
Und so steigt die Belastung immer weiter an,
ist es da ein Wunder, dass man irgendwann nicht mehr kann?
Das Gefühl, daß man vor allem alleine steht,
ganz schön auf die Gesundheit schlägt.
Beim letzten Mal erwähnte ich es schon, wie man sie bekommt,
die wertvolle Motivation.
Zu einer guten Beziehung gehören
Wertschätzung, Respekt und Vertrauen.
Das sind die Fundamente, auf die kann man bauen.

Ich würde mir wünschen, wir könnten unsere Arbeit ohne Kompetenzgerangel, in Teamwork und mit schneller Problemlösung angehen.
Würden, wie es sich in einem Team gehört, als Ganzes zueinander stehen.
Dann hätten wir Rückhalt und würden unterstützt, weil das jedem, um gute Arbeit zu leisten, sehr viel nützt.
Motivierte Mitarbeiter können ein Unternehmen sehr gut repräsentieren,
das sollten wir nie aus den Augen verlieren.
Mitarbeiter zu verlieren und neue anzuwerben kostet sehr viel Geld, besser ist es doch, wenn sie sich wohl fühlen und man sie behält.
Ist es da nicht klüger in die vorhandenen Mitarbeiter zu investieren, anstatt sie zu verlieren?
Die beste Werbung für ein Unternehmen kann nur sein,
lädt ein gutes Arbeitsklima zum Bleiben ein, dann kann die Tätigkeit auch wieder ein Traumberuf sein!

Ein zufriedener Mitarbeiter wird selten krank!-
da hilft zuweilen schon mal gut zuzuhören und ein ernst gemeinter, von Herzen kommender Dank!

Lieber AG , nur so als Idee, Wertschätzung tut nicht weh.
Gerade beim Thema Corona Sonderzahlung wäre es als respektvolles Signal rüber gekommen,
wir hätten sie freiwillig und ohne Mitwirkung der verdi bekommen.
Wir sind Menschen, die hinter trockenen Personalnummern tatsächlich existieren und leben.
Wir haben, gerade in der Pandemie, unter Einsatz unserer Gesundheit, unser Bestes gegeben!

Schöner wäre es doch einen Weg gemeinsam zu gehen,
bei dem wir alle zueinander stehen.

Über mich

Foto Ariane Köhn
  • seit Oktober 1990
    Fahrerin auf B51
  • Dezember 2019
    das erste Gedicht zur Betriebsversammlung vorgetragen
  • März 2020
    Einladung zu einem Gespräch mit Arbeitsdirektor M. Hünig
    Zweites Gespräch über Veränderungen sollte folgen, war in Folge des Gesundheitszustandes von Herrn Hünig nicht mehr möglich
  • Januar 2021
    Gespräch mit Gewerkschaftssekretär
    F. Hartmann über ungerechtfertigten
    Abzug von 1% der Corona Sonderzahlung und der gesamten Vorgehensweise der verdi, wegen des bundesweiten Streiks
  • Februar 2021
    Beschwerde bei dem Beschwerde u.-Kontrollausschuss der verdi eingereicht, über 1% igen Abzug der Corona Sonderzahlung
  • Mai 2020
    Mitarbeit im Workshop mit der Leitstelle, um Zusammenarbeit zu verbessern
    Ablehnung der Rückzahlung, des einmaligen 1% igen Abzuges, des Kontrollausschusses der verdi
  • Januar 2022
    Gespräch mit Arbeitsdirektorin M. Alke